Viktor Eduard Prieb - Literatur
- Publizistik

Das Wort zum Millenniumsweihnachten,
zum neuen Jahr, zum neuen Jahrhundert und zum neuen Jahrtausend
an unsere Landsleute


von Dr. Viktor Prieb

Berlin, Dez. 2000



Das, was unten geschrieben steht, wollte ich unseren Landsleuten noch am Meeting am 26. August 2000 am Brandenburger Tor in Berlin in meiner Rede sagen. Nur fanden die Organisatoren dieser Kundgebung diese Rede zu politisch und vielleicht zu gefährlich für damalige harmlo-se Kundgebung.

Warum sollen unsere Kundgebungen so harmlos sein, das habe ich allerdings nicht begriffen. Viel mehr, nach meinen Erfahrungen mit der deutschen Presse, wo ich meine Antwort dem euch bereits bekannten Professor Klaus Hilgers veröffentlichen wollte, habe ich verstanden, dass wir nur mit lauten und ausgeprägt politischen Kundgebungen am Brandenburger Tor eine Chance haben, uns Gehör bei deutschen Medi-en zu verschaffen und uns dort zu Wort zu melden.

Am 26.08.2000 haben wir diese Chance nicht wahrgenommen. In neuem Jahr, dem 60. Jahr des Erlasses von Stalin vom 28.08.41, wün-sche ich mir und euch so eine große Kundgebung mitten in Berlin, die alle deutschen Fernsehsender und Zeitungen anzieht. Dort hätte ich doch diese Rede gehalten.

Vielleicht schreibe ich mir auch eine neue und diese möchte ich euch zur Ermutigung und zur Verstärkung eures Selbstbewusstseins zu Weihnachten und zum Neuen Jahr schenken.

Begrüßung und Einführung

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Liebe Landsleute, liebe Deutsche!

Ich gehöre zu keiner Partei oder Gruppierung, und ihr kennt mich nicht. Ich möchte als einer von euch mit euch an diesem Gedenkmeeting mitreden. Ich freue mich, euch auf diesem historischen und für uns symbolischen Platz im Herzen Deutschland begrüßen zu dürfen.

Seit dem Regierungsumzug nach Berlin ist es gang und gäbe, das Brandenburger Tor zum Ort von allen möglichen Kundgebungen zu wählen. Die Berliner, zu denen auch ich gehöre, haben es allmählich satt, an der Stelle immer wieder blockiert und gestört zu werden.

Ich möchte mich im Namen der Russlanddeutschen bei Berlinern da-für entschuldigen, dass wir es heute auch tun. Wie dies die anderen be-gründen, weiß ich nicht. Aber unsere Begründung liegt auf der Hand.

Das Brandenburger Tor steht in der Mitte zwischen dem Deutschen Reichstag und der Russischen Botschaft und das ist genau der richtige Ort für Russlanddeutsche. Von hier startete der "Drang nach Osten", dem auch wir zum Opfer fielen. Wir standen schon immer zwischen die-sen zwei Staatsmächten als Geiseln ihrer Politik und wollen jetzt von beiden Seiten gehört werden.

Integration und Identitätsprobleme
Bei allem Schmerz und der Trauer, die ich heute zusammen mit euch empfinde, möchte ich die 60-järige Zeitspanne zwischen damaligen De-mütigungen und unseren heutigen Demütigungen und Problemen über-brücken.

Das so genannte Integrationsproblem ist bei uns besonders spezi-fisch. In zwei bis drei Jahren reihen wir uns ins Heer der stolzen deut-schen Steuerzahler ein. Dass es wirklich so ist, zeigt die Statistik: Die Arbeitslosenquote unter den Spätaussiedlern liegt unter dem Durch-schnitt in Deutschland (Siehe dazu die vorige „Heimat“-Ausgabe).

Dadurch wird allerdings das Integrationsproblem nicht gelöst und sogar verschärft, denn das Integrationsproblem wird bei uns zum Iden-titätsproblem. Was sind wir hier in Deutschland? Sind wir Deutsche, die unseren Blutsverwandten, unseren deutschen Schwestern und Brü-dern hier gleich sind, oder sind wir ihnen nur formal gleichgestellt wor-den? Oder sind wir gar die Russen, weil wir aus Russland herkommen, Russisch sprechen, während unsere eigene Sprache durch die langjähri-ge brutale kommunistische Assimilationspolitik degradierte?

Zu unserer Nationalität und ihren Nachweisen
Ich sage euch: Diese Frage ist gar nicht berechtigt und von keinem zulässig. Wir sind Deutsche und gehören zu Deutschland. Diesen Standpunkt verankerte gesetzlich noch Kaiser Wilhelm der II. wenn auch zu Gunsten seiner Kolonialpolitik. Das ist unsere Nationalität, die wir uns nicht heute ausgewählt haben und in unseren schlimmsten Ta-gen nie eine Möglichkeit hatten sie zu wählen.

Dass wir zu dieser Nationalität gehören, wurde uns von Stalin mit dem Erlass vom 28. August 1941 noch einmal staatlich bescheinigt. Das ist diese Überbrückung zu heute. Wer das vergessen hat, den will ich daran erinnern, dass wir heute durch das Bundesverwaltungsamt in Köln wieder mal als Deutsche staatlich geprüft und bescheinigt werden.

Dort wird es ja von uns verlangt, auf knappen 70 Seiten, unsere Zu-gehörigkeit zu der deutschen Nationalität, tief bis zur 3. oder 4. Genera-tionen hin zu beweisen. Ist danach der Aufnahmebescheid nicht die Be-scheinigung unserer deutschen Nationalität? Nach solch eine Überprü-fung fühle ich mich, wie ein Rassehund mit dem von deutschen Behör-den ausgehändigten Stammbaum am Halse und mehreren, von Stalin verliehenen Abstempelungen an der Brust.

Also, wir sind Deutsche! Darauf basierten alle Repressalien der UdSSR gegen uns! Darauf basiert aber auch unsere Überlebenskraft. Darauf sollen wir auch heute stehen und dadurch unser Bewusstsein stärken.

Über die Einstellungsklarheit und das gehirnkranke Durcheinander
Zu dieser Selbstaufbaubasis gehören auch ganz klare Positionen. Diese Positionen sind leider bei manchen verschwommen. Zum Beispiel bei den Ex-Funktionären der von dem KGB nach der Perestroika initi-ierten Organisation der Russlanddeutschen in Russland, welche offiziell und patriotisch erklärten, an Russland seelisch gebunden zu sein.

Oder das gehirnkranke Durcheinander bei manchen russischsprachi-gen Zeitungen, wie zum Beispiel „Die Chance“. Neulich las ich zufällig in dieser Zeitung, dass „unsere“ KGB-Leute in ihrem Job nicht schlech-ter waren, als die Agenten der ausländischen Nachrichtendiensten.

Das Wort „unsere“ hat mich buchstäblich umgehauen. Wenn die NKWD bzw. KGB-Leute ihre sind, was machen denn diejenigen Russ-landpatrioten von jüdischen Kontingentflüchtlimgen und diese Zeitung in unserem Deutschland? Ist das nicht eine Beleidigung unserer Opfer ihres KGB-Terrors? Ist das keine Beleidigung unserer Trauergefühle am heutigen Gedenktag? Hoffen diese KGB-Freunde wirklich mit ihrer Zei-tung unter Russlanddeutschen Leser zu finden? Das ist wirklich ein krankhaft ausgeprägtes Identitätsproblem.

Wir können uns so ein Durcheinander nicht leisten, weil wir Deut-sche sind. Und wir unterscheiden uns dadurch von den anderen, die auch nach Deutschland gekommen sind und immer weiter kommen, dass wir in kein anderes Land wollten, dass wir nur an dieses Land wirklich seelisch gebunden sind. Wenn Deutschland uns nicht aufge-nommen hätte, wären wir in Sibirien geblieben, weil uns die USA oder Australien oder sonst noch irgendein Land fremd sind und als Ausreise-ziel nicht interessieren.

Zum Rechtsextremismus und zur Rolle der Regierung und der Medien dabei
Zu diesen klaren Positionen gehört auch, dass wir keine Schmarotzen sind, die Sozial- und Rentenkassen ausleeren. So stellen uns dar die Re-gierung mit ihren immer weiteren und grundgesetzwidrigen Kürzungen und die Medien mit ihren falschen, öffentliche Meinung gegen uns auf-hetzenden Informationen. Dieselbe Regierung und dieselben Medien, die ihre eigenen Bürger mit „der rechten Hand“ zum Extremismus aufhetzen und „mit der linken Hand“ so laut, wie grade heutzutage, gegen Rechts-extremismus kämpfen und die armen Bürger zur Zivilcourage aufrufen.

Wie sonst als Aufhetzen sollen wir die Lafontaines Rede im Wahljahr 94 verstehen? Denselben Lafontaine, der im Jahre 1989 zusammen mit seiner SPD-Partei kategorisch gegen die Vereinigung Deutschlands auf-trat und heute auf den „linken“ Schultern der Ex-DDR-Bürger und der linken Bürger des vereinigten Deutschlands triumphierend in den deut-schen Bundestag hineinfährt.

Oder den Artikel in der „Frankfurter Allgemeine“ vom 17. November 2000? Oder die Berichterstattungen, in denen nach Schilderung einer Kriminaltat hinten dran unbedingt angehängt wird, dass der Täter „Müller“ einer der Spätaussiedler aus Kasachstan ist? Wenn aber viel schrecklichere Taten von Einheimischen begangen werden, heißt der Tä-ter schlicht und einfach „Müller“. So wird die öffentliche Meinung ge-bildet, dass all diese aus Kasachstan und Sibirien kommenden Deut-schen Krimineller sind. Und das alles, obwohl wir nach dem Grundge-setz die gleichen Bürger Deutschlands und nichts anderes sind. Ich glaube auch nicht, dass die Kriminalitätsquote unter Aussiedlern die Quote unter den Einheimischen übersteigt. Jedenfalls ist sie bei den Aussiedlern viel niedriger, als bei den hier lebenden Ausländern.

Wer sonst außer unserer Regierung und unserer Medien hat alle Deutschen in drei Sorten geteilt:

„die Wessis“ mit dem Koeffizienten 1,0
„die Ossis“ mit dem Koeffizienten etwa 0,8
wir und die anderen Spätaussiedler mit dem Koeffizienten 0,6.

Ist das kein Grund für die 2. und die 3. Sorte, sich rechtsextrem den anderen Sorten gegenüber zu stellen, um das ihnen ermittelte Minder-wertigkeitskomplex zu mindern?

Ich habe euch gerade aufgerufen, auf der Basis unserer deutschen Nationalität unser Bewusstsein und unsere Zukunft aufzubauen. Das hat aber mit den zu Stempeln gewordenen Begriffen „Nazismus“ und „Rechtsextremismus“ nichts zu tun. Alles, was für unser Vaterland gut und nicht schädlich ist, war schon immer für jeden Deutschen gut! Daraus ergibt sich auch die Richtlinie zur Bekämpfung des echten kriminellen Rechtsextremismus. Es liegt an der Regierung und an den Medien, Deutsche durch ausreichende und vor allem objektive Informationen und statistische Daten darüber aufzuklären, ob und was Gutes unsere Einwanderung für Deutschland bedeutet. Das gleiche gilt natürlich für die anderen Einwanderungsgruppen auch, in aufrechten Diskussionen aufzuklären, ob sie gut oder schädlich und feindlich für Deutschland sind.

Über unsere Verhältnisse mit Sozial- und Rentenkassen Deutschlands
Statistische Daten, die ich zu dem Zeitpunkt unserer vergangenen Demonstration noch nicht auf der Hand hatte, sind inzwischen von mir gesammelt, verarbeitet und zu dem Artikel erfasst, der als die Antwort auf das bekannte Pasquill von Herrn. Hilgers in der FAZ dienen sollte. Sie zeigen eindeutig, dass:

- die Arbeitslosenquote unter uns wesentlich kleiner als Durchschnitts-quote in Deutschland ist,
- wir allein deswegen nicht weniger in die Sozialkassen Deutschlands beitragen.
- wir mehr Kinder pro Familie nach Deutschland bringen, als hier im Durchschnitt pro Familie geboren wird,
- mit uns prozentuell zweifach weniger Alten kommen, als in Deutsch-land lebt, denn unsere Alten sind in Verbannungsorten an Zwangsarbeiten ausgestorben,
- allein aufgrund zweier letzteren Tatsachen unsere Rente sicherer ist als die Rente der Einheimischen, denn das Rentensystem basiert sich in Deutschland auf dem Generationenvertrag.

Dies bedeutet:
Wenn die Menschen in meinem Alter, deren Eltern in Sibirien begraben liegen, heute hier arbeiten, sichern sie die heutige Rente für die anderen.
Wenn unsere vielen Kinder auch noch bereits arbeiten oder bald ar-beiten werden, kommt in die Rentenkassen viel mehr rein als von da von unseren wenigen Alten genommen wird (konkrete Zahlenberech-nung in meinem oben genannten Artikel).

Also, ich wage es zu bezweifeln, dass wir für den maroden Zu-stand der Sozialkassen Deutschlands die Verantwortung zu tragen ha-ben. Leider wird derartige Aufklärungsarbeit von der Regierung und von den Medien nicht geführt. Stattdessen werden wir zum Sündenbock der Nation wieder gemacht, wie es mal in Russland war, und gleichzeitig werden deutsche Omas und Opas aufgerufen, die Courage zu zeigen und auf die Barrikaden gegen Rechtsradikalen zu gehen.

Das Abschließende
Ich hätte euch noch mehr Beispiele nennen können, wie viel Geld hätte die deutsche Regierung bei Verandlungen mit Russland sparen können, wenn sie zum Beispiel berücksichtigt hätte, wie viele Dörfer und Städte von leeren und möblierten Wohnungen und Häusern wir in Russland seit unserer Deportation und bis zur heutigen Auswanderung zurückgelassen haben. Es hätte nicht nur für die aus der DDR abziehenden sow-jetischen Offiziere, sondern für die ganze sowjetische Armee gereicht. Aber die Zeit ist viel zu knapp, um all meine 10-jährigen Überlegungen hier mit euch zu teilen.

Unsere Gebote
Ich will euch schließlich bitten:

Vergesst ihr nie, dass wir zu einem starken Stamm von deutschen Kolonisten gehören!
Vergesst ihr nie, dass wir alle Gründe haben, auf uns und unsere Vorfahren stolz zu sein!
Vergesst ihr nie, dass wir uns vor keinem und wegen nichts zu schämen brauchen!
Vergesst ihr nie, dass wir weder Russland, noch Deutschland etwas schulden!
Vergesst ihr eure Identität und eure Würde sowie die Würde eurer Vorfahren nicht!
Vergesst ihr eure Opfer nie, die wir für unsere Nationalität ge-bracht haben!
Vergesst ihr nie, dass wir Deutsche sind und jetzt heimgekehrt und zu Hause sind!

Der Glückwunsch
Wenn ihr dies alles nie vergesst, dann muss ich euch zum Abschied nicht einmal alles Gute wünschen – es wird schon alles gut werden!

Aber viel Glück wünsche ich euch zu Weihnachten und zu dem be-vorstehenden Jahres-, Jahrhundert-, Jahrtausendwechsel, denn Glück schadet ja nie!


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