Viktor Eduard Prieb - Literatur
- Poesie

Das Blackout

ein Liebestraum in NYC

(April 2009)


Nur ganz langsam kam ich zu sich. Ich hatte das Gefühl im Raum zu schweben, ohne deutlich wahrzunehmen, ob ich vom Himmel runter-komme oder darin hinaufsteige.

Dann realisierte ich, dass wir beiden auf Ihrem Bett liegen: Sie auf meinem Arm. Mich überkamen stille Zärtlichkeit und unaufhaltsame Dankbarkeit! Ich küsste Ihre Handflächen, Ihren Bauch, Ihre Brüste, Ihre Lippen, Ihr Gesicht und entdeckte Tränen in Ihren bodenlosen Au-gen:

- Was ist, mein Glück, war es so schlimm?

- Ja, es ist schlimm... Nein, es war so himmlisch, wie ich noch nie er-lebt hatte... Ich bin glücklich, aber auch traurig... Es ist doch traurig, mit 38 zum ersten Mal so ein vollkommenes Glück zu erfahren!

- Na, da kannst du getröstet sein! Ich erlebe es mit meinen 58 Jahren auch zum ersten Mal! Nur mich macht es nicht traurig, mich macht es sogar überglücklich! Gerade die Gewissheit, dass ich es noch erleben durfte, während es vielen – und da bin ich mir ganz sicher! – bis zu ih-rem Lebensende verwehrt bleibt!

- Warum denkst du so schlecht über die Menschen oder übers Men-schenleben überhaupt?

- Ich denke nicht schlecht über die Menschen! Ich bin jetzt gar nicht dazu imstande, während es früher schon mal vorkommen konnte. Jetzt liebe ich alles! Meine Liebe zu dir lässt einfach keinen Platz in mir für andere Gefühle! Mit ihr kann ich alles andere auch nur lieben: Ich liebe Menschen, ich liebe sogar die ganze Menschheit auf der ganzen Welt! Ich hätte es früher für schier unmöglich gehalten. Ich hielt es früher eher für ein Idiotismus-Merkmal schlechthin, die ganze unbekannte und un-persönliche Welt persönlich zu lieben. Jetzt denke ich über mein eigenes Leben nach, aber auch nicht schlecht. Ich sehnte mein Leben lang nach diese Liebe, als nach Etwas, was es gar nicht gibt! Und nun passierte es! Die Anderen entweder suchen danach nicht, oder geben zu früh auf, weil sie an dieses Etwas gar nicht glauben!

- Das hast du schön gesagt, über dieses Etwas, was es gar nicht gibt! Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Nein, nicht nachvollziehen! Ich empfinde es! Ich empfand es schon immer so, habe es nur nie so formu-liert. Es lebte in mir als ein unerfüllter Traum, aber auch das machte mich traurig. Dadurch war mein Leben für mich nicht erfüllt, obwohl ich meinte, meinen Mann zu lieben, eine intakte Familie zu haben... Und mein Kind liebe ich nun wirklich über alles! Aber dann, mit 37, war es nicht mehr zu ertragen. Das Leben schien ohne diese Erfüllung zu Ende zu gehen und ich entschied mich ganz bewusst, aus meiner Familie weg-zugehen, um die letzte Hoffnung nicht zu verlieren! Aber glücklich bin ich dadurch nicht geworden. Ich wusste, wie viel Schmerz ich meinen Nächs-ten damit zugefügt hatte. Ich bin ein ganz schlechter Mensch!

- Nein! Du bist es nicht! Du bist ein denkender, suchender und ganz aufrichtiger Mensch! Du hast das Richtige getan, weil du weder dich selbst noch deine Familie belügen wolltest. Ich weiß es. Ich hatte dassel-be noch vor zehn Jahren getan, als meine Töchter fast erwachsen ge-worden waren... Weißt du, viele Paare bleiben zusammen, nachdem ihre Kinder fortgehen, aus Angst allein zu bleiben, obwohl sie einander kaum noch so erkennen, wie sie einander irgendwann vor Jahren ken-nengelernt hatten. Das finde ich unehrlich! Menschen sollen aus Liebe und nicht aus Angst zusammenbleiben!

- Vielleicht hast du recht. Trotzdem ist es für mich das Schlimmste, zu wissen, dass du jemandem, deinem Nächsten, wehtust und er darunter leidet. Es ist viel schlimmer, als wenn du selbst an Schmerzen leidest...

- Das war für mich auch immer die einzige Einschränkung, jeman-dem, insbesondere deinem Nächsten, wehzutun. So viel Freiheit wünschte ich mir nie! Aber wenn du offen, ehrlich und aufrichtig bist, soll sich jeder, insbesondere dein Nächste, für dich freuen! Sogar dann, wenn du dich verliebt hast! Sogar deine Frau oder dein Mann, wenn sie dich lieben. Denn lieben bedeutet es, deinem Geliebten Glück zu wün-schen und nicht ihn zu besitzen. Tun sie das nicht, lieben sie dich nicht! Dann erübrigt sich auch das Problem mit dem Wehtun!

- Ich denke, dass es ziemlich unbarmherzig ist, was du da sagst, wenn auch verständlich für mich... Und es funktioniert auch nicht, vor allem bei Männern!- meinte sie und ihre Augen wurden wieder voll Tränen, in denen sich alle Neonlichter des nächtlichen Manhattans zu widerspie-geln schienen, die an den Wänden dieses Zimmers in ihrem kleinen Apartment rumtanzten.

- Vielleicht denkst du einfach zu viel? - lächelte ich entspannt, ihre Tränen mit meinen Küssen wieder abtrocknend. -- Aber das ist kein Vorwurf! Es ist das, was dich ausmacht, und ich hätte nie davor denken können, dass die Intelligenz eines Menschen so sexy sein kann!

Dann kam dieses Blackout wieder... Ich fiel in die leuchtenden Lich-ter Ihrer Tränen, versank in diesen wunderbaren, in Ihrer Trauer so bo-denlosen und in Ihrem Glück so schelmisch glitzernden Augen! Ich ver-sank in Ihr und alles verschwand wieder...

Alles war neu mit Ihr! Seit dem ersten Augenblick war alles mit Ihr neu, hochspannend, vollkommen in unseren gemeinsamen Gefühlen und zerrreißend in tiefen Gedanken wie gerade vorhin, in unseren gemeinsa-men Diskussionen über alle Liebe und allen Schmerz der Welt! Aber über dies alles hinaus waren wir immer wieder überflutet und vereint durch diese alles, sogar das Glück selbst überragende Freude, einander gefunden zu haben!

Es passierte auf einem Internetportal. Es durfte kein Zufall sein! Es war auch keiner. Ich hatte in meinem verzweifelten Sehnen nach dem, "was es gar nicht gibt", eine Liebesgeschichte geschrieben, in welche meine ganze Sehnsucht, all meine Gefühle und Träumen sowie viel Romantik und eine Menge meiner Gedichte hineingeflossen waren, und diese auf dem Portal veröffentlicht.

Ich bekam eine Menge Feedbacks von Lesern. Die meisten von Frau-en im Alter von 30 bis 60 Jahre. Die Geschichte schien ihre Leser ge-funden zu haben, welche nach demselben "Etwas" sehnten, aber in der Überzeugung, dass es nur ihre niemandem sonst eigenen Macken sei, nie darüber zu reden wagten. Über solche "tiefst persönlichen" Macken re-det man nun mal nicht! Die meisten Männer waren offensichtlich auch jetzt noch nicht bereit darüber zu reden. Oder sind Frauen solchen Ge-fühlen einfach mehr verfallen? Sind sie einfach romantischer veranlagt als Männer? Na ja, ich bin ja schließlich auch ein Mann…

Das Einzige, was mich bei dieser Leserinnen-Begeisterung etwas störte, war, dass es bei vielen Frauen gleich nach einem Angebot klang, sich zu opfern und den Autor aus seiner Misere zu retten! Dies wider-sprach dem Sinn der Geschichte, in der es sich um meine Liebe zu einem virtuellen Mädchen handelte.

Und irgendwann kam Sie so zurückhaltend und leise, dass ich es so-fort wusste: Sie ist es, nach welcher ich Jahrzehnte so tief und schmerz-lich sehnte:

"Gerade ihre Geschichte zu Ende gelesen. Danke, es hat mir gefallen. Ehrlich gesagt ist mir die erste Hälfte, wo Sie ihren mitleiderregenden Zu-stand davor so entrüstend ehrlich beschreiben, mehr gefallen (vielleicht, weil es so nah zu meinem momentanen Zustand ist), als die eigentliche Geschichte über die Liebe zu diesem Mädchen in der zweiten Hälfte. Ich habe Ihren Zustand in diesem Moment gut verstanden, sehe aber diese Geschichte unter einem ganz anderen Blickwinkel.

Ich kritisiere nicht. Es hat mir wirklich sehr gefallen, so wie viele Ihrer Gedichte auch.

Sie sind ein sehr mutiger Mensch. Ich bin 38 und habe immer noch Angst zu lieben, vor allem so offen zu lieben. Sie beschreiben so reine Ge-fühle, so eine Idealisierung der Liebe, dass es schwer daran zu glauben ist!

Ich kann sogar sagen, dass ich Sie beneide: Keine Angst zu haben lä-cherlich zu erscheinen, etwas Persönliches zu entblößen und schon wie-der keine Angst davor zu haben, jemandem die Möglichkeit zu geben, das Leben eines anderen zu verurteilen!

Vielleicht schaffe ich es irgendwann auch so lieben zu können. Jetzt möchte ich nur meinen Dank nochmals wiederholen. Dafür, dass ich die Hoffnung und die Kraft wiederfand, frei von eigenen Schranken zu sein!

Ansonsten, viel Glück Ihnen.."

Sie schien, mich wirklich verstanden zu haben. Es war das, was mich bei allen anderen und mir überhaupt am meisten fehlte! Und Ihr Dank entlohnte mich für Einiges, was Sie als mein Mut bezeichnete. In dem Sinne schrieb ich Ihr zurück.

Danach wollte es gar nicht mehr aufhören. Ganz schnell duzten wir uns vertraulich. Sie meinte, mich so sehr, mehr als ich Sie, zu brauchen. Weil Sie so Vieles im Leben zu klären und zu verstehen, und mit mir auszudiskutieren hätte:

"Was willst du in diesem Leben?" – zeigte Sie mir oft ihre Innenspan-nung, die an der Selbstzerstörung grenzte.

"Im Leben will ich bis zur Erschöpfung aller meinen Gefühle und Kräfte leben und nicht so, wie im ersten Teil meiner Liebesgeschichte! Einen Sinn dem verleihen, was am Anfang so zufällig und gar überflüs-sig war – meiner Geburt. Daraus das Beste und dadurch auch die Welt meinetwegen etwas besser machen!"

"Das Leben ist ziemlich kurz… Hasst du deswegen so alles Alltägliche und suchst nach seelischen Erschütterungen? Dadurch bleibst du mit deinen 58 junger als manche bereits alles erfahrenen und dadurch ermü-deten Dreißigjährigen!" – entgegnete Sie als Anerkennung.

"Siehst du! Ich kann dir alles sagen und mich bei dir über alles be-klagen, weil du deine intelligente, statt primitiv mitleidende Seele auf-weist! – war meine erwidernde Anerkennung an Sie.

"Das Mitleid mit Menschen habe ich nur dann, wenn sie es tatsächlich brauchen! Ich hatte es früher öfter gemacht, bis ich den Film 'Dogville' mal sah... Sehr lange überlegte danach und verstand, dass das Mitleid eine Art von Hochmut ist." – überraschte Sie mich immer wieder aufs Neue.

"Gutmütigkeit und Mitleid haben sogar viele, aber es hilft wenig, wenn sie durch keine Intelligenz unterstützt werden. Sie bringen wenig, ohne Verständnis des Problems an sich. Sich an jemandes Schultern auszuweinen, hilft nur kurz, treibt dann aber noch mehr in den Zweifel, in die Sehnsucht danach, was es nicht gibt... Und dich gibt's!" – gab ich meinem Glück, Sie gefunden zu haben, immer wieder kund!

"Du kennst mich doch gar nicht! Ein Foto und ein paar Tage Brief-wechsel reichen dafür nicht aus. Und wenn du das bestreiten wirst, werde ich denken, dass du oberflächlich bist!"

"Natürlich werde ich das bestreiten! Und natürlich kenne ich dich! Wozu habe ich so lange gelebt? Ich kenne die Details deines Lebens viel-leicht nicht, lernte es in meinem Leben aber, einen Menschen besser und schneller einzuschätzen, als ein Cowboy seine Pistole ziehen kann! Dies war in meinem Leben noch wichtiger, als bei den Cowboys, gleich zu wissen, mit wem ich stehe, oder wer mir gegenüber steht." – provozierte ich Sie weiter.

"Na, wenn du meinst..." – gab Sie nach – "Ich wollte dich nur etwas provozieren!"

Meine Welt wurde durch Sie, durch diese virtuelle, immer vertrauter werdende Unterhaltung zunächst im Internet und später am Telefon ge-sprengt! Alles wurde virtuell und imaginär! Wir unterhielten uns jeden Tag, meistens abends, was bei mir wegen des sechsstündigen Zeitunter-schieds zwischen Berlin und New York oft tief in die Nacht bedeutete, und was ich mal in unserer beiden bereits gestandenen Manier kommen-tierte:

"Ich glaube allmählich, an einem falschen Ort zu leben: Endlose Ent-fernungen zwischen mir und denen, die ich am liebsten ganz nah bei mir gehabt hätte! Siehst du: Du musst mich gar nicht provozieren. Ich sage ohnehin alles, was ich fühle und denke.

Und überhaupt, ich bin durch die oben beklagten Umstände so er-schöpft, dass mich ein Grippevirus scheint erwischt zu haben. Der Hus-ten zerreißt meine Brust, mein Kopf platzt gleich!

Die Liebe ist böse... Und du bist herzgütig, klug und das Gute an sich! Halte die Stellung! Ich gehe jetzt und sterbe an Grippe!"

"Liebe ist nicht böse! Wir sind dagegen in der Liebe manchmal böse und egoistisch, weil wir zu viel dabei wollen! Ne, jetzt liegt deine Betrübt-heit bestimmt an diesem Grippevirus!

Nein! Halte du die Stellung und sterbe bitte nicht! Sonst wird es mir ganz schlecht ergehen! Du bist mir bereits wie verwandt geworden!" – kam so einfach Ihre erste fast Liebeserklärung, die mich so glücklich machte, dass ich mich in unseren Witzen wieder nicht zurückhalten konnte:

"Mit 'wie verwandt' ist dir bestimmt ein Tippfehler eingeschlichen. Es gibt ja nichts Schlimmeres als Verwandte! Wenn es dir wegen meines Grippetodes wirklich so schlecht ergehen wird, muss ich wohl mein schweres Kreuz weiterschleppen. Was für ein Leben! Nicht mal sterben darf man! Aber pass du dort auch auf dich auf! Sonst wird's mir nicht weniger schlimm ergehen, obwohl du mir keine Verwandte bist (nur noch absolut seelenverwandt!).

"Ich habe diesen 'Tippfehler' nach langer Überlegung extra zugelas-sen, wusste und wollte, dass du als Erster über unsere Seelenverwandt-schaft sprichst, die ich seit langem schon spüre!

Versprach nicht zu sterben, halte dein Wort!!!"

Mein in Unendlichkeit steigendes Glück gab mir diese Energie immer witziger zu sein und immer wieder von sehr ernsthaften Themen, mit denen Sie mich zu Diskussionen provozierte, zum Witz zu wechseln und dadurch Sie immer wieder vom Rande dunklen Abgrunds zu holen, in den Sie hin und wieder abzurutschen versuchte:

"Mein ganzes Leben lang lebte ich mit meinen eingeborenen Prinzi-pien, bis ich müde wurde! Ich fing an, an denen zu zweifeln. Besonders nachdem ich zu begreifen begann, wie kurz das Leben ist und ich es im-mer noch nicht verstand!" – machte Sie mich mal wieder hellwach.

"Wir müssen das Leben nicht verstehen! Wir sollen es leben, und zwar unser eigenes! Verstehen oder nicht verstehen kann man ein frem-des Leben, besonders dann, wenn du dich diesem anpassen möchtest. Aber warum sollen wir das fremde Leben verstehen oder sich sogar ihm anpassen? Aus Mangel an Selbstvertrauen oder aus der Selbstverach-tung? Im Sinne, dass irgendein benachbarter Blödmensch sein Leben besser als wir unser eigenes improvisieren kann?" – wie immer ging ich das Thema voll aggressiv an.

"Na gut! Dann gehe ich jetzt mein Leben leben, wenn du es schon so sagst! Es ist gut hier mit dir, aber ich habe auch noch zu arbeiten..."

"Na gut! Wenn ich schon selber so ein Blödsinn wie 'das Leben le-ben', statt 'die Liebe leben', empfehle, dann gehe, erhöhe dein US-amerikanisches Bruttosozialprodukt, bekämpfe die Finanzkrise und un-terstütze eure Kriege..."

Es schien, keine Barrieren zwischen uns beiden mehr zu geben, die wir noch zu überwinden hätten! Und doch kam einst der alles entschei-dende Durchbruch, der wieder von Ihr initiiert wurde:

"Weißt du was, ich habe dein Roman 'Der Zug fährt ab' auf deiner In-ternetsete, als du an der Grippe sterben wolltest und weg warst, heimlich runtergeladen und gelesen. Jetzt glaube ich dir unwiderruflich, dass du wirklich so bist! Nein, ich glaube es nicht, ich habe es einfach verstanden! Nur bist du aus meiner Erfahrung der Einzige, der sich so treu bis zu deinem Alter geblieben wäre. Es ist zwar wahr, dass viele Siebzehnjähri-gen so gewesen waren, aber wo sind sie jetzt geblieben?!

Obwohl du immer sagst, man soll sein eigenes Leben leben, motiviert mich die Erkenntnis, dass solche Menschen wie du auf der Erde existie-ren, viel mehr mein Leben zu leben!"

"Du beunruhigst mich, wenn du die Latte so hoch setzest! Ich kriege davor Angst, dich zu verlieren, denn ich empfinde mich wie ein ganz normaler Mensch ..." – zeigte ich meine Schwäche, um meine Normali-tät zu behaupten.

"Du verlierst mich jetzt nie – du findest mich jetzt erst richtig! Nur ich will – bitte! – auch von dir nicht verloren werden! Es ist jetzt sehr wichtig für mich!"

Mindestens seit diesem Moment wurde uns beiden fast schmerzhaft deutlich, dass wir in unserer Sehnsucht nach einander schnellst einen realen Weg zu einander finden müssen:

"Ich muss dich unbedingt sehen! Du, meine Verwandte, Seelenver-wandte, meine Nächste und meine letzte Liebe!"

"Du, diese Dialoge mit dir, deine Gedanken, unsere Witze und sogar Streitigkeiten sind mir so wichtig geworden!" – schrieb Sie nun offen "zwischen den Zeilen" – "Ich möchte mich so gerne mit dir treffen! Gleichzeitig habe ich etwas Angst davor. Komme, bitte! Wann soll ich nun dich hier vom Flughafen abholen?"

"Wann, sag ich dir morgen, nachdem ich den Flug zu dir hier im In-ternet gebucht habe. Jetzt will ich nicht von dir weggehen! Wovor hast du denn Angst? Wenn jemand von uns beiden vor Etwas Angst haben soll, bin ich das, ein alter Mann." – meinte ich und kokettierte dabei kaum.

"Hör bloß mit so etwas auf! Ich ließ mich nie durch jemandes Alter beeindrucken! Absolut! Seit meiner Kindheit!" – reagierte Sie ganz scharf und sehr überzeugend!

"Na dann, ich komme in J. F. Kennedy Airport am Freitag, um 16:00 an und fliege in 12 Tagen von demselben um 17:45 ab."

"Ich sitze mit strahlenden Augen und denke nur an dich! Meine Kolle-gen schauen mich so komisch verdächtig an, aber ich denke nur daran, wie ich dich so wie du bist, alles in dir liebe! Wenn ich dein Flüstern im Telefon höre, werde ich unfähig mich zu rühren! Ich bin bereit alles für diese Augenblicke des Glücks mit dir zu geben! Ich warte auf dich!!!"

Als ich diese Zeilen las, war dieses Blackout zum ersten Mal gekom-men...

Jetzt nahm ich auch nichts mehr außer Ihr wahr! Umso mehr fühlte ich Sie, wie Sie leise stöhnte, wie Sie "No, no, no!" wie den letzten Atemzug ausstieß, als ich in meiner Einfühlsamkeit nachzulassen ver-suchte, wie Sie flüsterte: "Oh Gott! Was ist das?! Ich komme bei jeder deiner kleinsten Bewegung! Ich erlebte so etwas noch nie!"

Ich flüsterte Ihr das gleiche zurück: "Oh mein Glück! Was machst du mit mir?!"

Es wollte kein Ende nehmen, bis zur Erschöpfung, jedes Mal und je-de Nacht! Wenn ich nach kurzen Schlafpausen mit dem Schreck auf-wachte, dass ich dies alles nur träume, wie vorhin in Berlin, sehnte ich wieder schmerzhaft nach Ihr! Ich fand Sie auch jedes Mal und wurde niemals von Ihr abgewiesen! Bei meiner kleinsten Bewegung zu Ihr be-wegte Sie sich gleich, noch halbschlafend, mir entgegen!

Tagsüber musste Sie zur Arbeit an der Uni und ich ging in den Cent-ral Park spazieren und schrieb ihr, auf der Bank sitzend, Gedichte! Nachmittags kochte ich etwas zum Abendessen für uns beiden, schrieb ihr meine Liebesberichte. Sie antwortete mir gleich, als ob Sie nur da-rauf gewartet hätte. Nur führten wir unseren Chat auf demselben Inter-netportal jetzt nicht mehr aus der Entfernung von 6000 km, sondern ganz nah zueinander, immer wissend, dass wir einander abends wieder-sehen... Und wieder miteinander bis zum Ins-Bett-Umfallen reden und kuscheln, einander umarmen und küssen können und einander festzu-halten versuchen!

Aber die zwölf Tage verflogen im Nu, einer nach dem anderen! Es machte unser Verlangen nach einander, diesen unstillbaren Durst nach der Liebe zu einander noch größer!

Dann kam der Abschiedstag, der Tag des Rückflugs. Und nur jetzt, im Flugzeug, bei diesem unendlichen Überflug, verstand ich, dass das längste und das schlimmste Blackout meines Lebens erst jetzt richtig beginnt, in dem wir beiden unsere Liebe ohne einander irgendwie weiter-leben müssen!

Und so war es

Wir fanden uns im Internet
Und führten wochenlangen Chat.
Du zogst mich an mit Wissensgier -
Verwandte Seelen fanden wir.

Dein heller Tag war meine Nacht,
Bis morgen früh hieltst du mich wach.
Dann fragtest du, wann komme ich,
Die Antwort war zunächst Gedicht.

Ich buchte Ticket nach New York,
Hab' alle Zweifel gleich entsorgt...
Das alles war die Weihnachtszeit,
Als ich Berlin verließ bereits.

Ich kam zu dir dritten Advents,
Das war der Wochenend-Event!
Was du nicht willst, wollten wir nicht,
Dann ließ Vernunft uns doch im Stich...

Blackout der Liebe fing uns zwei -
Uns könnte niemals was entzwein.
Die Wolke Sieben war intakt,
Dann kam dein erster Arbeitstag...

Ich war allein beim Tageslicht.
Ich war verrückt, ich liebte dich,
Du, kurz verliebt nur, machtest nach...
Wir liebten uns vielmals je Nacht.

Ich flog zurück am zwölften Tag
Und sagte dir, wie ich dich mag!
Du hast geschwiegen und geweint...
Wir haben uns darin vereint...
* * *


a href="http://www.vep-dls.de/epages/64007722.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/64007722/Products/1221"> Volltext zum Downloaden

All meine literarischen Manuskripte
(PDF-Digitalskripte)