Das Maß der Arbeitsleistungen oder über die Effektivität der scharfsinnigen Perestrojkaideen vor Ort Als von diesem Anführer der Perestrojka aus Moskau eine neue, absolut scharfsinnige Reformidee kam, einen Landwirtschaftsmaschinenfahrer nicht mehr wie früher von seinem Radweg, sondern vom Ertrag - verallgemeinert hieß es, jeden für reale, von ihm für den Gesamtertrag eingebrachte Leistungen - zu bezahlen, war der Vater wieder begeistert. Diese Idee funktionierte doch schon längst bei seinen Kalymen und an seinen mehrfach und in mehreren Bereichen geprüften Leistungen zweifelte er auch nicht - für ihn ging es endlich darum, dafür auch noch belohnt zu werden. Nur ging auch dies daneben. Die Entscheidung über die Höhe der Leistungen lag natürlich an der Nomenklatur vor Ort. Demzufolge waren die "Leistungsträchtigsten" vor allem sie selbst von oben bis unten. Auf den zweiten Platz der Leistungs-Gehalts-Liste gelangten die ihnen treu Ergebenen, unabhängig von ihren Titeln, Positionen und schon gar von ihren Leistungen. Der Vater bekam seitdem so ein niedriges Gehalt, wie es tariflich für einen Wissenschaftler mit einem Doktortitel nur möglich war, während manche Laboranten nebenan gerade das dreifache erhielten. Und die Institutsführung schien sogar bereit zu sein, dem Vater diese Almosen nach Hause zu schicken, wo er inzwischen zu arbeiten hatte, damit er nicht an der Kasse sein Gehalt abholen musste und dadurch so oft und so lange wie möglich vom Institut fernblieb. Diese niederträchtigen Rückschläge waren für den Vater sehr schmerzhaft, aber nichts konnte ihn von seiner Reformwut abbringen, solange er nicht genau wusste, wieviel Prozent in seinem Institut ihn so brutal bekämpften und für welche Mehrheit der Mitarbeiter er diese Märtyrerrolle übernahm. Die Erkenntnis kam schnell. In allen Betrieben, Fabriken und Werken wurden bereits ihre Direktoren gewählt, als eine kastrierte Genehmigung von der Akademie der Wissenschaften kam, den Wissenschaftlern in ihren Instituten dasselbe zu tun. Kastriert war sie dadurch, dass die Ergebnisse dieser Wahlen durch die Akademie dann doch noch zu bestätigen und - gegebenenfalls - zu korrigieren wären. Einen ganzen Tag dauerte die Gesamtversammlung aller Mitarbeiter des Instituts, einschließlich aller Arbeiter der Werkstatt und aller anderen Bediensteten. Zu guter Letzt durften die geheimen Wahlen stattfinden. Fünf Mal warf sich der Vater in den Kampf hinein, der auf der Rednerbühne ausgetragen wurde. Unter den Rednern waren nur noch die Kandidaten - fünf an der Zahl - oder ihre Vertreter. Vier von diesen Kandidaten galten der damals herrschenden Terminologie nach als Demokraten, während der alte Direktor - an sich ein sympathischer und willenskräftiger alter Mann - zu Konservatoren-Stalinisten zählte. Warum eigentlich gleich vier Demokratiesorten vertreten werden mussten, wo man noch gar keine kannte, blieb dem Vater erst einmal ein Rätsel. |